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  • Wolfgang Fobo

Chinesen-Prinzip und der Ketchup-Effekt

Das gibt es wirklich. Sommer 1999 auf einer chinesischen Baustelle. Ich war angereist, um die Installation unserer Produkte in der Provinz Jilin zu besichtigen. Auf der Baustelle Hunderte von Bauarbeitern, welche alle, mit einem Hammer bewaffnet, das Brückendeck bearbeiteten, um überflüssigen Beton abzuklopfen (...die Bewehrung war voll nach dem Zufallsprinzip eingebaut, kreuz und quer, gar in der Druckzone...). Ich war fasziniert und begann, Photos zu machen. Solch ein Spektakulum wollte ich zuhause vorzeigen. Aber nein, kaum hatte ich meine ersten Photos gemacht, kam ein Aufpasser und verlangte den Film von mir. Schließlich klärte sich die Situation. Ich hatte Strafgefangene bei der Arbeit fotografiert, ob Zwangsarbeit oder nicht, sei dahingestellt. Erkennbar waren sie jedenfalls nicht als Gefangene. Und weil in den USA erst kurz zuvor auf das Schicksal chinesischer Zwangsarbeiter aufmerksam gemacht hatte, reagierte man jetzt eben sehr empfindlich.

Und weil es dieses Chinesen-Prinzip eben gibt, bekommen Bauunternehmer oder Subunternehmer oft erst recht kurzfristig Termine gesetzt, welche aus unserer Sicht unhaltbar wären. In China kein Problem, man nimmt halt entsprechend viele Leute. So weiß ich heute noch nicht, wie es unser Werk in China schaffen konnte, für ein Produkt gerade mal 3 Tage Fertigungsdauer zu benötigen (die hatte der Kunde vorgegeben), wenn wir zuhause es kaum in 3 Wochen schaffen. Ohne dass sich der Kunde über die Qualität beschwerte.

In jedem Restaurant in China sitzt man noch nicht richtig, schon steht die Bedienung mit Speisekarte daneben und schenkt erst einmal Tee ein. So habe ich es gerne, da leben wir in Deutschland doch in einer relativen Service-Wüste. Aber lieber Service-Wüste und ein anständiges Gehalt, als für vielleicht 50 € im Monat täglich 12 Stunden auf den Beinen zu sein.

Der Ketchup-Effekt

Verbunden mit dem oben beschriebenen Chinesen-Prinzip ist der Ketchup-Effekt. Diesen gibt es in China, auch in Korea, aber interessanterweise nicht in Japan.

Wir Deutsche als Weltmeister der Organisation (und das meine ich wirklich so, das kann niemand besser) brauchen für unsere Planung eben relativ frühzeitig den erforderlichen Input, dann wird geplant oder organisiert, und dann läuft eben die Fertigung.

Anders in China oder Korea. Dort geschieht immer viel auf den letzten Drücker, und Mängel in der Planung werden dann eben mit dem Chinesen-Prinzip ausgeglichen. Das geht bei uns Deutschen aber nicht. Wir brauchen für unsere Planung die Daten relativ früh.

Und jetzt kommt der Ketchup-Effekt. Ich schüttle die Chinesen wie eine Flasche Ketchup, und nix kommt, und immer noch nicht. Dann, plötzlich, kommt die Reaktion, und dann wird so schnell so viel von mir erwartet, dass ich nicht mehr hinterherkomme. Und habe das Malheur auf dem Teller, viel zu viel Ketchup. Übertragen ins Geschäftsleben wäre das ein sehr kurzer Liefertermin.

Wohltuend anders sind da doch die Japaner. In denen finden wir lange vorausplanenden Deutschen noch unseren Meister. In meinen Augen wollen die Japaner zuviel zu genau zu lange vorher wissen – was keine Flexibilität mehr ermöglicht.

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