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  • Wolfgang Fobo

Chinesische Fassade

Im meinem Stammhotel gab es im Fernsehen kein BBC mehr, auch keine Deutsche Welle. Rein gar nichts, außer CNN. Leicht angefressen, ob ich nicht einen geharnischten Protestbrief an das Hotel-Management schreiben sollte, begab ich mich dann doch zunächst an die Rezeption. Was denn die Motivation sei, uns Ausländern nur amerikanische Propaganda zuzumuten. Große Verbeugung, das läge nicht am Hotel, nein, alle 5-Sterne-Hotels in Nanjing dürften für die Ausländer nur noch diese Programme zeigen und keine anderen mehr. Von der Regierung veranlasst. Denn wir liegen im Einzugsbereich der Shanghai-Expo, und da dürfe grundsätzlich nur das gezeigt werden, was die hohe Regierung beschlossen habe. Das werde sich sicher wieder ändern, wenn die Expo vorbei ist, meinte die Dame.

Genau so ist China. Meint man irgendwann einmal, die Chinesen (und damit meine ich die Regierung) werden endlich normal, wird uns Ausländern wieder einmal gezeigt, wer in diesem Land was zu sagen hat. Das erlebe ich in regelmäßigen Abständen. Ob im Jugoslawien-Krieg 1999, bei SARS, oder vor der Olympiade 2008. Einmal eine strenge Maßnahme kurz beschlossen, durchgesetzt, und wir werden in unserer Ohnmacht vorgeführt. Der lokale Chinese nennt dies „YanDa“, da ist man kurzfristig mal streng, nicht nur uns Ausländern gegenüber, sondern generell, aber das vergeht wieder. Was kann man in so einem System anders werden als abgeklärt.

Jetzt wundert mich auch nicht mehr, warum die Neon-Reklame des gegenüberliegenden Massagesalons ausgeschaltet ist. Und dort wurde gleich viersprachig geworben. Da wird der Umkreis von 300 km um Shanghai herum kurz mal „desinfiziert“. China will sich ja von der sauberen korrekten Seite zeigen. Und fallen wir Ausländer drauf rein? Ja, ich glaube schon. Schöne heile Welt.

Hier in China ist so viel Fassade, so viel Symbolik im Spiel. Und die wahren Fäden werden hinter der Bühne gezogen. Nichts anderes ist es mit meinen Seminaren, welche ich halten darf oder nicht. Darf ich sie halten, müssen wir uns nicht einbilden, die Kunden wollten etwas von uns lernen. Nein, ein Seminar ist nicht mehr als eine Einladung zum Tanz, auf der Bühne. Damit wir überhaupt eine Chance haben, hinter der Bühne die Fäden zu ziehen. Wichtig ist nicht, was ich vortrage. Wichtig ist vielmehr, wer bei den Seminaren von der Kundenseite wie lange anwesend ist. Ist der große Chef die gesamte Zeit dabei, ist das schon die halbe Miete. Läßt er sich entschuldigen und bekomme ich ihn nicht einmal zu Gesicht, bin ich nur Komparse in einem größeren Spiel mit verborgenen Spielregeln.

Und wenn ich dann nicht einmal eingeladen bin bzw. wieder ausgeladen werde, dann haben wir schlechte Karten. So geschehen auf dieser Reise, ich hatte mir extra 2 Tage für ein Seminar mit einem unserer Vertreter bei einer Großbrücke eingeplant. Und dann heißt es lapidar, der Kunde habe leider keine Zeit, es gäbe dringenderes zu tun. Schon zum zweiten Mal. Und unser Vertreter rennt dem Kunden immer noch hinterher und meint, das habe nichts zu bedeuten, die Zeit sei nur ungünstig...Manchmal habe ich so meine Zweifel. Entweder ist der Kerl völlig ahnungslos oder hält mich zum Narren. Der soll das Seminar jetzt selbst halten.

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