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Wolfgang Fobo

Die teuerste Schweißnaht der Welt

Die teuerste Schweißnaht der Welt, oder „Deutsche und Japaner“

Ob sie das wirklich ist, kann ich natürlich nicht mit Sicherheit sagen, aber dass Japaner manchmal dermaßen in ihrem Schachteldenken verfangen sind, dass sie weder Kosten noch Mühen scheuen, in ihrer Schachtel zu bleiben, davon kann ich Lieder singen.

Das schönste Lied - wenigstens bis heute - handelt von dieser besagten Schweißnaht, welche teuer war, unsinnig dazu, Geldverschwendung pur.

Und diese Geschichte belegt auch, welche Welten die Japaner von den Deutschen trennen, zumindest manchmal.

Passiert ist eigentlich nichts Weltbewegendes, das kann immer passieren: bei einer Inspektion vor Versand unseres Produktes entdeckte der japanische Inspektor (nebenbei, das tun nur die Japaner, einen Inspektor zur Abnahme schicken), dass da, wo ein Loch sein sollte, keines war, und gegenüber, wo kein Loch sein sollte, eben eines war. Nachdem es sich um eine Stelle handelte, an welche sowieso dranbetoniert werden sollte, waren wir uns schnell einig, dass wir eben das Stück zuviel Blech aus der einen Seite entfernen und dieses entfernte Stück Blech in die andere Seite einschweißen würden. Wir einigten uns schnell mit dem Inspektor, die Korrektur erfolgte über Nacht, anderntags gab dieser Japaner sein ok, und die Ware wurde zum Hafen geschickt. Routine eben.

Denkste. Der Inspektor machte Photos und verschickte sie in Form einer Dokumentation an seine Organisation. Uns bescheinigte er korrekte Arbeit.

Wenige Stunden bevor diese Ware dann auf das Schiff verladen wurde, kam dann die mail aus Japan: Stop, alles zurück nach München. Und zwar alle 4 Stück (zwei davon waren nur betroffen gewesen). Der japanische Auftraggeber befahl uns mehr oder weniger, die gesamte Ware vom Hafen Hamburg zurück nach München bringen zu lassen, weil die Schweißnähte nicht fachmännisch genug ausgeführt worden seien. Und der Auftraggeber garantierte zudem schriftlich, für alle Kosten dieser Maßnahme aufzukommen.

Ich war damals selbst auf Dienstreise und verfolgte die gesamte Aktion zuerst mit Faszination, dann mit zunehmendem Entsetzen, und glaubte mich einmischen zu müssen.

Ich schrieb an den Japaner, welche die Rückrufaktion veranlasste, mehrere mails, in welcher ich die Unsinnigkeit der Aktion beschrieb, in dem Bestreben, dem Japaner vor seiner eigenen Geldverschwendung zu bewahren.

Was mir nicht gelang, der Kunde bestand darauf, alle 4 Stück nach München zurückzufahren und die Schweißnähte zu verschönern (meinte ich) bzw. fachmännisch durchzuführen (sagte der Japaner).

Für diesen (und nicht nur diesen) Japaner muss jede einzelne Schweißnaht wohl einen Schönheitspreis gewinnen, und zwar egal, ob man diese Schweißnaht, welche zudem nicht einmal einer Beanspruchung ausgesetzt wird, letztendlich sieht oder nicht.

Dass dieser japanische Auftraggeber diese 4 Produkte hat dermaßen aufwendig und teuer verpacken lassen wie wir es noch nie getan hatten, will ich nicht unerwähnt lassen. Auch dafür hatte er teuer bezahlt. (Was mich im Nachhinein ärgert, ist, wie viel Nachlass ich geben musste, um diesen Auftrag zu erhalten, und danach verbrennt der Kunde Geld als hätte er er sackweise).

Jedenfalls war er untröstlich, unser Japaner. Um so mehr, als ich sein Anliegen nicht sofort ernst nahm, sondern versuchte, dies im auszureden. Ich hätte mich eher unter tiefen Verbeugungen für unser Missgeschick entschuldigen müssen, meinte er später in einer mail an mich und cc an die halbe Welt.

Die zweite Verschönerungsaktion (so nannte ich es, dabei niemals irgendeine Schuld eingestehend) bzw. die zweite Korrektur (so sah es der Japaner) erfolgte dann unter den Augen von 2 Inspektoren, welche extra aus Japan eingeflogen wurden.

Die Schweißnaht, um welche es eben ging, war vielleicht insgesamt einen Meter lang, und wie gesagt an einer völlig unwichtigen Stelle platziert, und nur dafür da, dass die Lücke wieder verschlossen wurde, ohne später überhaupt gesehen zu werden.

Beide Inspektoren waren sehr freundlich und zuvorkommend, ganz anders als der spinnerte Projektleiter, welche diesen Unsinn veranlasste. Einer der beiden konnte fließend Englisch, und man konnte ihm ansehen, dass ihm die Geschichte auch recht peinlich war. Kurzum, wir trugen die beiden auf Händen, unsere Arbeiter taten wie befohlen (..blase dem Kunden Zucker in den Hintern, wenn er dafür bezahlt, war im Vorfeld dazu meine Befindlichkeit). Und so konnten auch wir vorweisen, dass wir auch die ausgefallensten Wünsche der Kunden zu deren vollen Zufriedenheit erfüllen konnten.

Warum die teuerste Schweißnaht der Welt? Weil dieser einzelne Meter Verschönerungsaktion unseren Kunden eine Größenordnung von 50.000 € gekostet haben muss. Für nichts und wieder nichts.

Ich bin immer noch am Überlegen, welche Lehren ich aus dieser Geschichte ziehen soll.

Zum Einen würde ich, wenn ein japanisches Unternehmen es sich leisten kann, so viel Geld zu verbrennen, zunächst einmal alle japanischen Aktien verkaufen. Zu 100% alle Aktien von japanischen Bauunternehmen. Die gehen mit dieser Denkweise den Bach runter, zumindest können sie international nicht bestehen.

Mir zeigt es auch, wie sehr die Japaner in ihrem eigenen Schachteldenken verfangen sind. Zumindest diejenigen, welche nicht über Japan hinausdenken können. In Japan traut man sich normalerweise nicht, eigene individuelle Verantwortung zu übernehmen. Sondern man führt aus, was irgendwo geschrieben bzw. festgelegt ist. Das tun die Japaner bis in die letzte Perfektion, deswegen sind sie bei Massenprodukten so gut.

In diesem Fall muss irgendwo gestanden haben, wie die Schweißnähte auf der besagten Brücke auszuführen sind. Und unsere Schweißnaht entsprach eben nicht dieser Spezifikation. Anstelle nachzudenken, was sinnvoll ist und was nicht, konnte in diesem Fall der verantwortliche Projektleiter nicht aus seinem Schachteldenken heraus und musste eine Vorschrift unbedingt umgesetzt wissen, ohne Rücksicht auf Verluste.

Das habe ich im Vergleich „Deutsche und Japaner“ immer wieder erlebt. Wir Deutsche streben nicht nach Perfektion, wo diese nicht sinnvoll ist. Wir können auch mal Fünfe gerade sein lassen, sind aber in denjenigen Punkten gut, worauf es ankommt. Dafür sind wir international wettbewerbsfähig.

Japaner können gar nicht anders als immer nach Perfektion zu streben, ob dies Sinn macht oder nicht. die sind so gedrillt, nach irgendwelchen Anweisungen zu handeln, und ihnen hat man dermaßen das selbständige Denken abgewöhnt, dass diese für den Standardfall funktionieren wie eine Maschine. Aber wehe es kommt eine Ausnahme, in welcher man selbst Verantwortung übernehmen muss. Spontan, ohne dass es hierfür eine Vorschrift gibt.

Ich behaupte einmal, bei den Japanern ist der individuelle gesunde Menschenverstand ausgeschaltet, zugunsten der Organisation, welche Vorschriften macht, die einzuhalten sind.

Deswegen versagen die Japaner auch so gnadenlos beim Atomunfall in Fukushima, und dessen Folgen. Dafür gibt es keine Vorschriften, also wird der Störfall erst einmal ignoriert, bis er nicht mehr ignoriert werden kann (da waren die Russen in Tchernobyl wesentlich handlungsfähiger).

Wir Deutsche übernehmen individuelle Verantwortung, und ich hoffe, unser System hat auf Dauer die besseren Chancen im globalen Wettbewerb. Nein, wir sind nicht immer perfekt, aber wir wissen, wann wir perfekt sein müssen und wann nicht. Und wir geben dem Individuum Entscheidungsfreiheiten. Die hat ein Japaner nicht. Kompensiert wird die japanische Unfähigkeit für individuell getroffene Entscheidungen mit Selbstaufopferung -nie im Leben würde ein deutscher Arbeitnehmer solche Opferbereitschaft zeigen wie sie von einem Japaner verlangt wird. Pflichtbewusstsein und Aufopfern für das Wohl des Ganzen - da sind uns die Japaner weit überlegen. Müssen sie aber auch haben, denn ich betrachte diese Eigenschaften als erforderliche Korrektur für deren System.

Immerhin, tröstend ist die Erkenntnis, dass international agierende Japaner deren eigenes System mit ihren Schwächen recht gut einschätzen, und sich doch ähnlich wie wir verhalten. Das sind aber nur recht wenige. Und die haben ihre Probleme, die Aktionen ihrer Landsleuten, diesen „Fröschen im Brunnen“, uns Westlern zu erklären.

Dennoch: wenn Japan generell so tickt wie ich es am Beispiel dieses Projektleiters geschildert habe, dann wird Japan langfristig an Bedeutung verlieren. Dazu ist der globale Wettbewerb viel zu stark, und so sehr kann sich kein einzelner Japaner aufopfern, um die Schwächen eines solchen Schachtel-Denksystems aufzufangen.

Der arme erste Inspektor, was muss der gelitten haben. Ich habe ihm per email (auch vor allen anderen Japanern) bescheinigt, wie professionell er damals gehandelt hatte. Ungefähr 2 Wochen später kam dann eine große Dankes-email aus Japan, von diesem ersten Inspektor, welcher von seinen Landsleuten auf diese Weise vorgeführt wurde: ich habe mit meiner mail seine Seele gerettet. Jetzt habe ich ein Bier gut bei ihm...

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