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Wolfgang Fobo

Eritrea

Weihnachten 2010 - Eritrea

Das Nordkorea Afrikas sei Eritrea, hieß es in einer Pressemitteilung für mich. Als Sammler von Reisen in die „Axis of Evil“ strahlte Eritrea, von dem ich vorher nicht viel wußte, plötzlich eine unheimliche Attraktivität aus. Ich mußte also nur noch den Moment abpassen, wenn ich ein paar Tage Zeit hatte. Und das war dann über Weihnachten 2010. Und wie auch im Falle Nordkorea erhielt ich, als ich das Visum beantragte, einen Anruf von der Botschaft, ob es mit dem Reisenden wohl mit rechten Dingen zuginge.

Die Abreise aus Frankfurt - pures Chaos. Lufthansa schaffte es ganze 2 Stunden nicht, die Anzahl der eingestiegenen Passagiere mit der Anzahl der eingecheckten Bordkarten in Einklang zu bringen - einer sei zuviel an Bord, aber wer? Dieses Durcheinander dauerte 2 Stunden, dann hob unser vollbesetzter Airbus ab, welcher mich über Jeddah nach Asmara brachte.

War Frankfurt wirklich Chaos? Was ist dann der Flughafen Asmara? Eingereist war ich noch relativ zügig, und die sich bildenden Schlangen vor den Beamten gingen zügig weiter. Aber das Warten auf das Gepäck in diesem Mini-Flughafen war eine Erfahrung für sich. Unser Flieger war 2 Stunden zu spät gelandet, kurz vor 1 Uhr in der früh, und weil gleichzeitig eine vollbesetzte Maschine aus dem Jemen ankam, dauerte es und dauerte es...2 Mini-Gepäckbänder, überall voll mit nach Gepäck suchenden Passagieren, und das Gepäck kam eben nicht. Nach knapp 2 Stunden warten konnte ich zunächst einmal aufatmen, meine Reisetasche kam an (jeder musste beide Bänder gleichzeitig im Auge behalten, denn es war Zufall, wo welches Gepäckstück aufgelegt wurde, dann dieses Gewühl von Leuten. Und die Eritreer, wenn sie denn mal nachhause fliegen, nehmen Berge von Gepäck mit. Welches die Gepäckverantwortlichen vom Band nahmen und auf den Boden stellten, was das Gewühl noch unübersichtlicher machte. Man fühlte sich wie beim Ostereier suchen. Nicht dass nach dem Finden die Warterei vorbei gewesen wäre, es ging in den nächsten Warte-Trichter, am Trichterende der Zoll. Und der Zoll war gründlich, wühlte sich durch Tonnen von Gepäck. Gott sei Dank nicht bei mir, der ich, ganz untypisch, ohne Gepäckwagen in der Schlange stand, und so mit meiner leichten Reisetasche beinahe schon deplatziert wirkte. Zum Schluss noch Geld gewechselt, dem Taxi-Fahrer viel zu viel bezahlt, aber was bleibt einem anderes in der Früh um 4 schon übrig, ich wollte nur noch ins Bett. Dort kam ich dann schließlich an, im Top 5 Hotel, welches ich von München aus telefonisch reserviert hatte (auf Anraten der eritreischen Botschaft sollte ich das Visum nur mit Hotelreservierung bekommen, ein Witz, ein schlechter dazu, aber so sind halt die Diktaturen).

Als „Begrüßung“ fand ich auf meinem Zimmer eine bunt bebilderte Beschreibung vor, wie man sein Kondom richtig anlegt.

24.Dezember

Wir haben uns gefunden. 3 oder 4 Einzelreisende, alle mit Lonely Planet, alle zur gleichen Zeit im Tourist Info, wo man die Travel Permits bekommt. Und da muss man sofort entscheiden, an welchem Tag man wo hin will, denn nur an diesem Tag darf man genau nur dort hin.

Immer noch übermüdet, fühlte ich mich mit den plötzlichen Entscheidungen überfordert - zudem waren viele meiner Ziele „Off limits“, d.h. man durfte nicht dorthin. Und so habe ich eben kurzerhand das getan, was alle taten. Wir haben uns zusammengeschlossen und klappern einige Ziele gemeinsam ab, mieten ein Auto gemeinsam, und buchen die größere Tour ins Landesinnere, so sie denn auch noch genehmigt wird, gemeinsam.

25.Dezember

Da haben sich also 3 Verrückte gefunden, ein deutscher Unternehmensberater, welcher im Oman arbeitet, knapp über 30, Andreas. Ein englischer Scheidungsanwalt, so im die 50 Jahre, Russell, und ich.

Alle 3 weit gereist, ich wahrscheinlich noch am wenigsten. Andreas hatte schon 143 Länder besucht, Russell fährt auch ausgiebig in der Weltgeschichte herum. Und ich konnte wenigstens ein bißchen mithalten, wenn wir uns gegenseitig unsere Räuberpistolen erzählten.

Haben Heiligabend miteinander gefeiert, waren am ganzen Weihnachtstag zusammen. Den Tag über mit Mietwagen und Chauffeur nach Filfil, dort sollte eine landschaftlich besondere Gegend sein, hat mich aber nicht besonders umgehauen. War schon ok, muss man aber nicht mehr hin. Interessanter war, was wir uns alles gegenseitig erzählten. Den Weihnachtsabend haben wir dann stilvoll beschlossen, mit einer riesigen Pizza, viel Bier, und zum Schluss noch eine doppelte Dosis lokalen Anis-Schnaps hinterher.

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Auf einem zerschossenen Panzer des Befreiungskrieges

26.Dezember

Es stand eine Zugfahrt an. Die Bimmelbahn fährt jeden Sonntag um 8 Uhr in der früh von Asmara nach Nefasit, vielleicht 20 km, wofür sie aber 2 Stunden braucht. Aber die Fahrt war spektakulär, auch wenn jeder der Touristen 50 USD berappen musste. In den 2 an die Dampflok angehängten Waggons waren vielleicht 50 Touristen versammelt, und das war wohl das ganze touristische Aufgebot, welches sich um diese Zeit in Asmara befand. Incl. der ausgewanderten Eritreer, welche ihre Heimat besuchten. Die Endstation Nefasit lag auf dem Weg nach Massawa, und so verließen in Nefasit angekommen 3 Touristen den Zug, um sich weiter nach Massawa durchzuschlagen.

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Alles, was Eritrea als Lok aufzubieten hat.

Außer mir noch ein Deutscher aus Berlin, ca. mein Alter, Wissenschaftler, und ein Pole, wohl so knapp 30. Während der ewig langen Wartezeit auf einen Bus, welcher uns mitnahm, haben wir uns unsere Geschichten erzählt, und es stellte sich sehr schnell heraus, dass die beiden anderen ebenfalls Profis im Reisen waren. Die Weiterfahrt im endlich uns mitnehmenden Minibus wurde aber sehr bald unterbrochen, ein Unfall. Ein LKW samt Container war umgekippt, nichts ging mehr.

Und so sitze ich hier und warte, dass die beiden Krane endlich das havarierte Fahrzeug samt Container aus dem Weg räumen. Und mein Magen knurrte immer vernehmlicher. Hatte ich eh schon kein Frühstück eingenommen, schob sich mein Mittagessen in weite Ferne. So weit, dass ich anfing, die für die Kinder extra mitgebrachten Gummibärchen zu verspeisen. Das sollte dann eigentlich bis Massawa reichen, immerhin sollten wir noch 3-4 Stunden unterwegs sein.


Bis wir dann doch noch in Massawa ankamen. Ich gönnte mir das beste Hotel am Platze, das Dahlak Grand Hotel, für 40 USD pro Nacht. Gerade frisch renoviert, war es sein Geld wert. Massawa selbst, na ja. Die zweitgrößte Stadt Eritreas, am Roten Meer gelegen, hat schon bessere Zeiten erlebt. Die ehemaligen Prachtbauten sind am Zusammenfallen oder wurden im Krieg zusammengebombt. Da reicht ein halber Tag, bis man alles gesehen hat. Warm war‘s aber, und das in der kältesten Saison im Jahr. Wie es hier die Leute im Juli aushalten, ist mir ein Rätsel. Wenigstens war das Bier kalt und billig. Und auch das Essen war voll ok, ein Lob den Italienern.

28.Dezember

Muss ich doch noch politisch werden. Jetzt haben wir tatsächlich eine Gruppe für den Ausflug nach Qohaito zusammenbekommen, und dennoch hat das Security Office die Genehmigung verweigert. Wir seien ein zusammengewürfelte Gruppe, welche nicht am selben Tag eingereist sei, und zählten deswegen nicht als Gruppe im Sinne des Security Office. Die Machthaber sind hier paranoid, für kaum einen Ort gibt es eine Besuchserlaubnis. Man braucht Genehmigungen, welche eben erteilt werden oder nicht, und man weiß nie, woran man ist. Früher nachhause fliegen kann ich auch nicht, weil eben kein Flieger früher fliegt, und so habe ich jetzt 2 Tage zur freien Verfügung, und muss meine Phantasie anstrengen, was in dieser Gemengelage alles noch möglich ist. Gerade höre ich, man könne doch ins Debre Bizen Kloster, man müsse nur seine Genehmigung beim Patriarchen abholen (und nicht beim Security Office). Natürlich gibt es in Asmara noch einiges zum sehen, vor allem wenn man hinter die Kulissen gucken will. Einen Panzerfriedhof (für den man aber auch eine Genehmigung braucht), oder eine Recycling-Stelle.

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Echt sehenswert, diese Installation


29.Dezember

Nichts, aber auch gar nichts hat heute so hingehauen, wie ich wollte. Dennoch wurde es ein interessanter Tag.

Thomas von der Reiseagentur meinte, man könne ohne behördliche Genehmigung nach Debre Bizen, das Kloster besuchen. Also bin ich in der früh zum Patriarchen der orthodoxen Kirche, um mir die erforderliche kirchliche Genehmigung zu besorgen. Aber der Büromensch hat mich wieder freundlich weggeschickt, ich brauche zuerst eine Genehmigung des Ministry of Tourism. Also bin ich dort hingedackelt, aber die Genehmigung blieb mir versagt. Was tun? Noch 2 ganze Tage in Eritrea, und alle wollen mich nicht haben. Kurzfristig habe ich dann beim Tourist Office noch eine Genehmigung für den Besuch eines Kaffs 85 km südlich von Asmara beantragt, für meinen letzten Tag. Und weil ich davon gehört hatte, eine weitere Genehmigung für den Panzerfriedhof, welche ich umgehend erhielt. Anstelle zum Panzerfriedhof fuhr mich der erste Taxifahrer zum italienischen Friedhof, auch nicht schlecht, aber da wollte ich eben nicht hin. Der zweite Taxifahrer verstand mich nicht richtig, der dritte überhaupt nicht. Also zurück zum Tourist Office, mir die Adresse geben lassen, damit ein des Lesens Kundiger mich wenigstens an den richtigen Ort bringt. Das tat er dann auch, und was da auf mich wartete, war ein bizarres Kunstwerk aus aufeinander geschichteten Armee-Lastwagen und Panzern aus dem Befreiungskrieg. Ein Soldat begleitete mich die gesamte Zeit, passte wohl auf, dass ich nicht die falschen Photos machte. (Die Container sollte ich nicht fotografieren, warum auch immer, die hätte ich eh nicht fotografiert, denn die sahen alle gleich aus). Aber das Gebirge aus Schrottfahrzeugen hat durchweg das Potential, als Mega-Installation durchzugehen. Am Ende des Rundganges wurde ich dann von den Soldaten in deren Container eingeladen, auf eine Tasse Tee. Eine durchaus friedliche und nicht weniger komische Veranstaltung, mit den Soldaten im Container zu sitzen, auf deren in schlechtem Englisch gestellten Fragen zu antworten, und eben Tee zu trinken. Zum Schluss bedankte ich mich für deren Gastfreundschaft mit einer Tüte Gummibärchen. Auf dem Weg zurück in die Stadt bin ich dann im einzigen China-Restaurant der Stadt eingekehrt. Nun gut, es hieß eben so, aber Koch und Bedienung waren Eritreer, entsprechend unchinesisch schmeckte denn dann auch das chinesische Essen. Weitermarschiert bin ich, kreuz und quer durch Asmara, bis ich per Zufall auf den Recycling-Markt stieß.

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Kein Weg für Schühchen, braucht auch etwas Mut, da durchzulaufen

Ein unbeschreiblicher Lärm, dort wird alles recycelt, Autoreifen, Blech, Holz. Und es wird gehämmert und gesägt, gebogen, von Erwachsenen, Kindern. Frauen reinigen Chilischoten, welche dann zu Chilipulver weiterverarbeitet werden. So ähnlich ging es in Bombay im Dharavi-Slum zu, nur hier eben auf sehr überschaubarem Gebiet. Das war ein Spektakulum, welches mich voll versöhnte, nicht dorthin gekommen zu sein, wo ich eben hinwollte. Es ist wohl immer wieder so, dass es nicht unbedingt von Nachteil ist, wenn man nicht das bekommt, was man will. Die Alternativen können durchaus gleichwertig sein, wenn nicht sogar besser.

30.Dezember

Und da hocke ich wieder im Bus, von Mendefera zurück nach Asmara. Habe mir am letzten Tag einen Tagesausflug in die Provinz gegönnt, morgens hin mit dem Bus, knapp 2 Stunden, im Vertrauen darauf, dass nachmittags schon ein Bus zurückfahren wird. Denn hier wollte ich nicht versumpfen und meine Heimflug verpassen. Immerhin, das Hotel, welches vom Lonely Planet am Ende des Städtchens beschrieben war, war sagenhaft gut, eine Oase in der Wüste. Die beste Tomatensuppe, tolle Spaghetti (meine Haupt-, besser Grundnahrung in Eritrea). Und ein relativ sauberes Klo dazu, welches man in der Pampa nicht hoch genug schätzen kann. Mendefera hat eigentlich nichts Erwähnenswertes, vielleicht die orthodoxe Kirche, in welcher gerade ein Gottesdienst stattfand. Die erste orthodoxe Kirche, welche offen war, mit Besuchern, voller Inbrunst einen Singsang hinlegend, nicht enden wollend. Und den Gottesdienst wollte ich dann mit meiner Anwesenheit doch nicht stören. Die Rückfahrt nach Asmara war dann schon deswegen besser, weil der Vorhang im Bus nicht gebraucht wurde - die Sonne stand günstig. Und so fuhren wir an einer Pavianherde vorbei, der Oberpavian fletschte die zähne - nein, da wollte ich nicht aussteigen.

Ok, was bleibt in Erinnerung:

eine Regierung, aus der ich nicht schlau werde, Strikte Währungskontrolle, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Journalisten werden eingesperrt. Und als Gegensatz dazu auf dem flachen Lande BBC im Fernsehen, oder das englischsprachige Al-Jazeera Programm. Kann das Volk also doch alles mitbekommen.mir scheinen die Eritreer recht gebildet zu sein. Sehr viele sprechen englisch, und die Verständigung klappte eigentlich immer. größte Dichte an Schuhläden weltweitRadfahren ist deren Nationalsport. Überall Radfahrer, und auch voll aufgemotzte Rennradler sind regelmäßig zu sehen. alles hat seine Ordnung, so gut es in der Armut eben geht.mit dem festgelegten Wechselkurs ist Eritrea ein recht teures Land. Preise fast wie bei uns, wenn man einen einigermaßen anständigen Lebensstandard willdie Italiener haben positive Spuren hinterlassen. Überall Bars, sehr guter Kaffee, Pasta wo man geht und steht, Tee überall. So kann man seine Essgewohnheiten beinahe beibehalten.die Asmarer lieben das Sitzen in den Bars und Kaffees. Die sind immer voll. sie gehen gerne aus, zeigen sich, putzen sich heraus.

Eritrea ist sicherlich besser als sein Ruf. Aber solange diese Reisebeschränkungen anhalten, hat man bei der begrenzten Auswahl in kurzer Zeit alles gesehen. Mit Äthiopien können die Eritreer bei deren Politik jedenfalls nicht mithalten, und die Sympathiepunkte gehen allenfalls an die immer sehr freundlichen Eritreer, welche keine andere Wahl haben, als dieses merkwürdige System zu ertragen.

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