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  • Wolfgang Fobo

Sudan Ende 2007


„Was treibt den Fobo nur in den Sudan? Spinnt der oder kriegt er den Hals nicht voll?“ wird sich so mancher fragen. Ich bekenne a) es ist richtig, dass ich spinne und b) dass ich den Hals nicht voll kriege. Auf meiner Reise durch die Schurkenstaaten muss ich eher zusehen, dass ich die Schurken zu sehen bekomme, solange sie noch Schurken sind. Das bedeutet in dieser Logik nur, dass ich so schnell wie möglich nach Nordkorea muss, solange es den großen Bruder dort noch gibt. Aber das wäre eine andere Geschichte.

Syrien, woher ich kam, war eigentlich nicht so schurkig gewesen. Natürlich guckten die Assads von jeder Hauswand, aber ich hatte den Eindruck, dass das Volk ihn ignorierte. Vom Sudan wusste ich nichts, bis auf das was man eben in der Presse erfährt. Darfur rauf und runter, „und wie kann man mit einer Reise nur so ein Regime unterstützen?“. „Oh, das kann man“, wage ich zu entgegnen, denn ich besuche ja nicht das Regime, sondern das Land und die Menschen, und will eben wissen, wie es dort zugeht.

Verpackt war die Reise als Kulturreise, als Pauschalreise aus dem Reisebüro (..denn so wahnsinnig war ich auch wieder nicht, mir diese Orte selbst zu erschließen, hätte auch gar nicht die Zeit gehabt). Es gibt Reisebüros, welche sich alle diese exotischen Zielen widmen wie Sudan, oder Turkmenistan. Mein Reisebüro waren die Orientaltours aus Frankfurt, und es ging darum, die nubische Kultur im Nordsudan zu besichtigen, alte Steine wie sie die Ägypter auch haben, aber nicht so bekannt und auch nicht so spektakulär. Dafür war es eben der Sudan. Mit einer alten russischen Antonov, dem größten Doppeldecker der Welt, sollten wir gewissermaßen von Stein zu Stein hüpfen, dabei in Wüstencamps übernachten. So sah es das Programm vor. Schräg genug, um meine Aufmerksamkeit zu finden, und so habe ich gebucht.

Und weil es sich um eine Reise mit Expeditionscharakter handele, meinte das Prospekt, müsse man voll gesund sein und müsse zudem auch mit Überraschungen rechnen.

Mit Egypt Air über Kairo nach Assuan, dort die erste Nacht in einem klapprigen 3-Sterne-Hotel. Nicht verhehlen will ich, dass dies meine erste Urlaubsreise in der Business Class war, Economy war nämlich voll, und so musste ich ein paar Hunderter obendrauf legen, um überhaupt noch mitzukommen.

Anderntags sollte uns dann der Privatflieger von Assuan abholen. Wir, dass waren 6 zahlende Spinnerte, und unser Reiseleiter:

ein Paar so um die Ende 30 aus München, Chris und Sabine. Weltbereist und neugierig. Und auch relativ abgeklärt und wie ich nicht so Stein-fixiert.ein Paar im teilweisem Ruhestand, schätze so Ende 60 Anfang 70, Barbara und Heiner, er immer noch voll in der Arbeit, Wirtschaftsprüfer, sie pensionierte Lehrerin.Frau Meyer. Diese Dame hatten wir nicht geduzt, war mit ihrem Alter von 79 Jahren auch die Älteste. Ebenfalls weit gereist, studierte Ägyptologin im zweiten Leben nach ihrer Pensionierung, sollte sie sich bald als unser Feingeist herausstellen. Sie hatte sich monatelang auf diese Reise vorbereitet, und sie wusste sehr genau, welche Steine sie wo fotografieren wollte.Sebastian, unser Reiseleiter, so Ende 30. Restaurateur vom Beruf, und Sudan-Erfahrung, hatte er schon einmal irgendwelche Steine im Sudan zurechtgerücktund meine Wenigkeit.

Frau Meyer sollte in Assuan zu uns stoßen, nur fanden wir sie nicht im Hotel. Dass die einzelne ältere Dame, welche in aller Herrgottsfrühe an der Rezeption stand und irgendwas mit dem Personal diskutierte, während wir unseren Kaffee tranken, Frau Meyer war, hielten wir für ausgeschlossen, und irgendwie fand auch Sebastian nicht den Ruck in der früh, sie zu fragen. Aber auch Frau L kam nicht auf den Gedanken, in uns ihre Reisegruppe zu sehen, vielleicht sahen wir ja auch zu kulturbanausig aus, lauter Ignoranten, die Amun nicht von Horus unterscheiden konnten.

So fuhren wir viel zu früh in die ägyptische Morgendämmerung, ohne Frau L, raus zum Flughafen, denn der Flug sollte sehr früh losgehen, meinte der lokale ägyptische „Experte“. Die Ausreiseformalitäten am Flughafen verliefen in üblicher ägyptischer Effizienz, aber was sollten wir uns auch beeilen, fehlte uns doch noch eine ältere Dame, welche wir dem Vernehmen nach auf dem Flughafen treffen sollten, Trafen sie aber nicht. Dann also schon mal ab in den Flieger, die Ägypter hatten es offenbar eilig, uns loszuwerden. Da wartete dann auch schon unser Flieger, aber es war nicht die AN2, sondern eine AN26, ein etwas größeres Modell, welches uns nach Dongola in den Sudan bringen sollte, zusammen mit Nadja, unserer sudanesischen Reiseleiterin von Sudan Safari. Und Yassir, unser Sicherheitsbeauftragter, welcher uns die gesamte Reise über begleiten sollte. Er war dafür zuständig, dass der Papierkrieg mit den lokalen Behörden klappte. Start und Landung, ist ja eh auffällig, was da ein paar Spinnerte in einer AN2 mitten in der Wüste so alles vorhaben. Nadja war überrascht, dass wir schon los sollten, ihren Unterlagen zufolge waren wir viel zu früh – ich glaubte das sofort – auch Frau Lienzmayer war noch nicht da, und wir mussten sie nun irgendwie herbringen. Also entfaltete sich eine hektische Telefoniererei, und siehe da, kaum war 1 Stunde vergangen, wurde die ältere Dame, welche uns in der früh um 6 an der Rezeption begegnete, herangefahren.

Komplett wie wir schließlich waren, dauerte es nicht lange, und dann waren wir in der Luft. Die AN26 muss wohl ein alter Frachtpropeller sein, und was sich mir bis heute nicht erschlossen hat, war, warum vorne in der Passagierkabine nur sehr wenige Fenster waren, hinten im leeren Frachtteil aber viele. Aber so sehr in der früh sollten uns fehlende Fenster nicht weiter stören, die meisten dösten dem Sudan entgegen.

Landung in Dongola. Wir mussten im Flieger sitzen bleiben, und dann kam der Flughafendirektor und empfing jeden einzelnen mit Handschlag. Aussteigen, mitsamt Gepäck, rein in die Abfertigungshalle. Uniformierte und Nicht-Uniformierte standen herum, wir wurden gefilmt, und tausendfach fotografiert. Jedes einzelne Gepäckstück sollte untersucht werden – auf dass kein Alkohol ins Land gerate. Pässe mussten wir alle abgeben, und dann war der Typ mit den Pässen verschwunden. Dann begann die Eingewöhnung in den Orient, mit der zentralen Lektion „Warten“. Irgendwann so gegen Mittag beschloss Nadja, dass wir schon mal nach Dongola reinfahren sollten, Mittagessen. Das taten wir denn auch, und in irgendeiner Spelunke gab es dann die erste sudanesische Kost. Grätiger Fisch, Fladenbrot, Gemüse, und Ful, das sind riesige Bohnen, die gibt’s überall und zu jeder Tageszeit, wie sich zeigen sollte. Wie gut, in Sachen Hygiene nicht zu sehr beschlagen zu sein, aber wir alle trauten uns tatsächlich, die grätigen Fische auch zu essen. Sebastian riet uns zu, seine Sudan-Erfahrung befand unser Mahl als ausreichend sicher. Nichts wäre schlimmer als ein Dünnpfiff gleich am Anfang der Reise.

Nach einem Spaziergang durch das „Shopping-Center“ von Dongola ging es dann zurück zum Flughafen, unsere Pässe einsammeln. Unsere Reise musste auch umgeplant werden, meinte Nadja. Die Deppen im Flughafen Khartoum hätten die falsche Sorte Flugbenzin in die AN2 gekippt, und jetzt müsse man den gesamten Motor reinigen. Dass man dies den Sudanesen tatsächlich zutrauen kann, wagte ich anfangs nicht zu glauben, ich dachte eher, dass sei eine Ausrede, aber mit der Zeit hielt ich dies für immer glaubhafter, der Sudan ist wirklich eine Klasse für sich, was Organisation betrifft.

Anstelle mit dem Flieger nach Soleb zu fliegen, so 150 km nördlich von Dongola, sollte es nun eine Jeeptour werden, so 4 bis 5 Stunden auf Wüstenpisten. Frau Meyer war „not amused“, das habe sie nicht gebucht. Aber auch sie hatte keine Wahl. Nach weiterem stundenlangem warten auf die Pässe ging es dann zunächst einmal zum Auftanken und Proviant einkaufen, was die Abreise weiter verzögerte.

Wir Deutsche hätten wohl die Wartezeit auf die Pässe dafür verwendet, die Jeeps aufzutanken und Proviant zu kaufen. Aber wie es sich immer wieder bestätigen sollte, ist der Zeithorizont eines typischen Sudanesen nicht so lang, und planen kann er sowieso nicht. Probleme können nur streng sequentiell angegangen werden.

Immerhin, 2 der 4 Stunden sollten wir noch bei Tageslicht fahren können. Mir war es eigentlich ganz recht, eine Jeeptour durch die Wüste, das war was zum Erleben. Und wenn wir immer wieder steckengeblieben sind im Staub, so war das für mich ein Spektakulum, welches eben dazugehörte. Vorbei an Kamelskeletten, durch eine Mondlandschaft, eine Staubwüste. Einmal musste uns die Armee ausbuddeln, wir versperrten den Weg (2 der 3 Jeeps waren nicht wüstentauglich, weil nicht Allrad, aber was anderes fand Nadja nicht).

Nadja meinte noch, wenn sie nicht darauf bestanden hätte, mindestens eine Schaufel mitzunehmen, hätten uns die Fahrer wohl mit den Händen ausgegraben. Das sei hier eben so.

Spätabends dann meinte Nadja, wir sollten langsam da sein. Draußen waren ein paar Lichter zu sehen, kein Mensch auf der Straße, Lehmmauern. Nach einigem Herumirren holte Nadja dann ihr GPS-System heraus, und dirigierte unsere Jeep-Karawane bis auf den Meter vor die Haustür des „Hotels“ oder wie man unsere Unterkunft auch heißen mag. Eine große mit Mauern umschlossene Anlage, Lehmhäuser. Und das Abendessen stand fertig bereit, und nach so einer Wüstenfahrt schmeckt dann auch sudanesisches Essen.

Die Toilette war erwähnenswert, Wasserspülung, Western-Style, aber unter afrikanischem Nachthimmel, und was hat es da Sterne ! Da vergisst man glatt, wo man sitzt, und staunt.

Anderntags ging das Kulturprogramm los. Frau Meyer, verzeihen Sie mir bitte, aber ich habe doch glatt vergessen, war das ein Amun-Tempel, oder was anderes. Auf jeden Fall schöne alte Steine, unsere alte Dame ganz in ihrem Element. Auch mich hat die Weiterbildungsveranstaltung doch nicht ganz unberührt gelassen, weiß ich doch jetzt, dass die Eule als Hieroglyphe ein „M“ darstellt. Und das Anch-Zeichen (Plural Enchi, warum merke ich mir das) kenne ich jetzt auch, Symbol für das Leben, Seht ihr, bei mir bleibt doch was hängen.

Die Enttäuschung dann um die Mittagszeit. Der Flieger würde nicht kommen, hieß es. Er hätte eine technische Panne, und das Leitwerk bräuchte ein neues Ersatzteil. Aber wenn wir bis 17 Uhr zurück in Dongola wären, würde er es noch schaffen, uns bei Tageslicht nach Old Dongola zu fliegen, weitere 150 km südlich von Dongola. Nadja schlug uns vor, nunmehr am gegenüberliegenden Nil-Ufer nach Süden zu düsen, das ginge schneller. Und dann könnten wir auch einen Schnell-Abstecher nach Deffufah machen, das läge auf dem Weg. Also gut, Fresspakete eingepackt, Wasserflaschen in Unmengen dazu, und so ging es wieder zurück, nicht ohne vernehmlichen Protest unserer alten Dame, das grenze an Zumutung. Wenigstens hatte Nadja ähnlich gedacht wie wir und die Jeeps nicht zurückgeschickt, so hatten wir wenigstens Fahrzeuge (oder sie wusste schon, was kommt, und ließ die Wahrheit nur portionsweise raus). Mir selbst war das weniger tragisch, gab es doch wieder was zu erleben „on the road“, und auch nicht alle protestierten. Andererseits, was hilft da ein Protest mitten in der Wüste. Es gibt nun mal keine Alternativen, und das hat schließlich auch Frau L eingesehen. Aber sie wurde stiller.

Die Rückfahrt erwies sich als Schlag ins Wasser. Weil wir über den Nil mussten, waren wir auf eine Fähre angewiesen. Und weil es eben Mittag war, zog es der Captain vor, am anderen Ufer seine ausgedehnte Siesta zu halten, während wir hüben warteten. 2 Stunden später ging es dann weiter, ein Jeep blieb im Ufersand stecken, also wieder ausgraben, und dann fuhren wir so schnell es ging, nach Süden. Wir hatten zuviel Zeit verloren, und als wir dann in Deffufah ankamen, fanden die Fahrer die Ruine nicht, also weiter nach Süden. Das muss Frau Lienzmayer den Rest gegeben haben, denn diese Steine wollte sie unbedingt für irgendjemanden fotografieren. Natürlich kamen wir zu spät in Dongola an, denn wir mussten auch wieder über den Nil, Und Frau Lienzmayer machte schlapp, Montezumas Rache hatte sie erwischt, sie brauchte dringend ein WC. Nicht nur irgendeines, ein sauberes, und das in Dongola. So fuhren wir zum Haus eines unserer Fahrer, und Frau Lienzmayer ward nicht mehr gesehen. Nadja machte sich Sorgen, wir tranken derweil unseren Tee und hofften der Dinge. Natürlich war der Flieger nicht gekommen, Er würde jetzt am nächsten Tag in Old Dongola landen, hieß es, und wir sollten den Weg vollends dorthin mit unseren Jeeps machen, eine Nachtfahrt, so ca. 2 Stunde, aber immerhin auf Teerstraßen.

Frau Lienzmayer hatte es erwischt, sie kam vom Topf nicht runter, und bei einer knapp 80-jährigen im Sudan kommt man dann doch ins Grübeln. Flieger nach Khartoum gibt es von hier 1 mal pro Woche, wir dachten schon ans ausfliegen, als Notfall. Aber „the show must go on“, beschlossen wir. Nadja blieb die Nacht über bei ihr, die beiden übernachteten beim Fahrer, und wir fuhren weiter, in die Nacht, nach Old Dongola. 2 Stunden später wartete doch tatsächlich am hiesigen Nilufer ein Volvo-Truck auf uns, ein richtiges Wüstenfahrzeug. Wir stiegen rauf, die Fähre wurde extra für uns gechartert, und rüber ging es ins Wüstencamp nach Old Dongola. Ein großer Bahnhof wartete auf uns. Küche und Bedienstete in Reih und Glied aufgestellt, das Abendessen fertig zubereitet, was für ein Empfang. Und wir hatten unsere Wüstenzelte – ich mit einem EZ-Zuschlag mein eigenes, geräumiges Zelt. Und wie auch in Soleb schlief ich unter dem Moskito-Netz. Ein wirklich schönes Camp, an sehr historischer Stelle.

Was ich nicht wusste, war, dass der Sudan bis ins 15.Jahrhundert christlich gewesen war, und hier gab es noch eine alte Kathedrale zu sehen, welche dann zur Moschee umgebaut wurde. Ein sehenswerter Flecken Erde, nur konnten wir anderntags keine kulturelle Bereicherung erfahren in Form von Frau Lienzmayer, denn diese laborierte in Dongola, und ob sie kam, blieb noch zu sehen. Aber was Sebastian erklärte, sollte auch vollkommen ausreichen.

Nadja kam dann abends mit unserer alten Dame, sie sei kuriert, und so waren wir wieder komplett. Anderntags – Sylvester – sollte es dann vormittags weitergehen, endlich, mit unserer AN2.

Denkste. Nadja war am Ende, der Flieger sollte nicht kommen, Ich hatte sie schon früher gefragt, ob er denn wirklich existiert, sie beteuerte es immer wieder. Der Grund ? Diktator Baschir hatte seine Spezln zu Besuch, und die wollte er beeindrucken, und so plante er spontan eine Flugshow mit seinen MIGs über dem Luftraum von Khartoum. So ließ er mal kurzerhand den Flughafen sperren, den ganzen Vormittag lang. Die Flieger mussten alle in der Luft bleiben und Warteschleifen drehen (sofern der Tank genug Sprit hatte). Als die Flugshow endlich zuende war, wurden natürlich erst alle Maschinen in der Luft nach unten gebracht und dann die Linienmaschinen unten in die Luft. Und danach war es zu spät für unsere AN2, abzufliegen, denn sie war auf Tageslicht angewiesen.

Das wollten wir nicht so recht glauben, es sollte sich aber als wahr herausstellen. Die Stimmung war am Boden, einige Teilnehmer sprachen von Reiseabbruch (was für eine Drohung mitten in der Wüste), und unser Reiseleiter war ebenfalls recht angefressen und rief schließlich bei Orientaltours an, um zu berichten. Sylvester. Als würde dann der Flieger hergezaubert.

Mir wurde es langweilig. Die Steine in Old Dongola hatte ich gesehen, ich wollte neues Spektakulum haben, und dies wurde mir nicht geboten. So fing ich nachmittags an, mein Buch zu lesen, welches ich extra für solche Fälle eingepackt hatte. Wüstendurchquerung mit Kamelen in 2001, auf den Spuren eines alten Forschers.

Nadja war abgetaucht, fertig mit der Welt. Gegen abend dann doch noch etwas Programm in Form eines Sonnenunterganges in der Wüste, vor den Ruinen. Und während wir das Camp verließen, wurden 2 Hammel für uns geschlachtet. Sie hatten noch froh vor sich hin gemeckert, nichts von ihrem Schicksal ahnend, als wir das Camp verließen. Als wir zurückkamen, hingen sie schon am Haken. Sylvesterschmaus. Und die „Old Dongola Band“ wurde aktiviert, die haben uns mit sudanesischer Musik unterhalten – das ist eine Variation von vielleicht 3 Tönen, welche per Zufallsgenerator aufeinander folgen. so aufregend.

Nadja schaffte es dann auch, irgendwoher eine Flasche lokal gebrauten Dattelschnaps zu organisieren – ob Frau Meyer mitgefeiert hat, kann ich mich nicht mehr erinnern, sie hatte mit der Welt jedenfalls abgeschlossen.

Die Stimmung blieb auch mäßig, wir schlossen Wetten ab, was denn die nächste Ausrede sei, weil der Flieger nicht kommt. So beschlossen wir 2007.

Am 1.Januar sollte dann doch noch der Flieger kommen. So gegen 10 Uhr brummte es in der Ferne, die AN2 suchte sich einen Landeplatz, und wir im Volvo ab zum Flieger. Da stand er dann auch, ein schöner großer Doppeldecker, mit 3 Mann Besatzung aus der Ukraine. Viktor, unser Pilot, ehemals ein MIG-Pilot. Sergej, der Navigator, und Volodja, der Flugmechaniker.

So waren für uns 6 zahlende Gäste weitere 6 Personen um unser Wohl bemüht, einmal ganz abgesehen von den lokalen Helferlein im Wüstencamp. Zu Zwölft hoben wir denn dann auch ab, und es ist erstaunlich, wie kurz eine Startbahn auf einer Wüstenpiste sein kann, und die AN2 ist in der Luft. Ab ging es nach Kermah, vielleicht 1 Flugstunde (...das hätten wir auch noch mit dem Jeep geschafft, aber die waren ja weg, und wir hatten beschlossen, nicht mehr von der Stelle zu weichen, bis denn der Flieger käme).

Wir landeten auf einem veritablen Flughafen, viele Uniformierte warteten auf uns. Yassir klärte das Formale. Dann die Jeeps, und ab nach Djebel Bakal (oder so), und noch zu irgendwelchen Gräbern in der Nähe. Dieser Berg sei die Heimat von Gott Amun, hieß es. Sehenswert, wirklich. Weil wir aber weiter mussten, und das bei Tageslicht, mussten wir mit unserer Zeit haushalten. Unter Protest unserer alten Dame, die Zeit sei viel zu knapp bemessen. Was half’s, wir waren spät dran, und mussten Zeit aufholen. Und was da noch mit mehr Zeit zu sehen gewesen sein sollte, das fragten wir uns heimlich alle. Sebastian, wohl wissend um die kritische Person, verbrachte die meiste Zeit mit der alten Dame, wir anderen stolperten so zwischen den Steinen herum, machten unsere Bilder, und dachten unseren Teil.

Nicht dass die Ruinen nicht sehenswert gewesen wären, aber uns fehlte doch das Verständnis, stundenlang in den Ruinen herumzuspazieren. Chris war wohl der Abgeklärteste von uns allen, der setzte sich des öfteren in den Schatten und ließ die Spinnerten in der prallen Sonne herumrennen. Hat ja auch gereicht, wir vergessen eh, wo wir waren (mir fallen jetzt, so ca. 10 Tage nach dieser Reise, nicht mehr die Namen aller Orte und Sehenswürdigkeiten ein. Ist auch egal, wichtig ist der Eindruck, und der bleibt. Samt Frau Lienzmayer)

Zu spät kamen wir zum Flieger – die Crew war schon hochnervös. Kein Wunder dachte ich, wir mussten auch 2 mal mit der Fähre über den Nil, und das sind im Sudan Unwägbarkeiten.

Auf dem Rückweg waren die Jeeps nicht da, welche uns zum Flieger bringen sollten, so mietete Nadja kurzentschlossen 5 Tuk-Tuks, und die fuhren uns knatter-knatter im Konvoi zum Flugplatz.

Sobald man im Sudan in ein Dorf kommt, liegt überall Müll und Dreck herum, tragisch, die werfen alles weg. Angesichts dieser Müllberge habe ich dann auch meine leere Plastikwasserflasche in hohem Bogen an den Straßenrand geworfen, das macht im Sudan auch nichts mehr aus. Hier kann man richtig rumsauen, und keiner merkt’s.

Und ab ging es zum nächsten Ziel, Naqah hieß es glaube ich, und ein Löwentempel war auch in der Nähe. Dieses Wüstencamp war noch schöner als das erste, sehr geschmackvoll eingerichtet. Dort traf Nadja dann auch ihren Freund, welcher im Hintergrund alles organisierte. Ein Norweger, ehemaliger Offizier, Darfur-erfahren, 25 Jahre Logistik-Erfahrung.

Bert, so will ich ihn mal heißen, denn sein Name ist mir entfallen, sorgte dafür., dass alles lief. Er bestätigte uns die Wahrheit der Geschichten mit der nicht eintreffenden AN2, erzählte uns eine Menge über das Leben im Sudan, vor allem wie hoffnungslos es in Darfur zugeht. Ohne Bert klappt wohl gar nichts, dachte ich mir, und Nadja führte mehr oder weniger nur aus, was Bert immer wieder organisierte. Ja, sie telefonierte sehr viel mit ihm.

Beim Abendessen dann hatte ich Besuch von einem kleinen gelben Skorpion, der meinen Weg kreuzte. Sebastian, dem ich diesen Skorpion zeigte, machte mit ihm kurzen Prozess und zertrat ihn. Das sei einer der gefährlicheren Sorte meinte er, sein Biss täte echt weh. Ich bin daraufhin nicht mehr barfuß von der Dusche zurück ins Zelt.

Ja, es gab Wüstenduschen, und Wüsten-WCs. Extra Zelte, oben offen, etwas von den Wohnzelten abgelegen Die Dusche bestand aus einem Eimer, welchen man eben vorher füllen musste, und dann lief die Uhr.

Bert machte dann auch seinem Berufsstand alle Ehre und organisierte ein paar Flaschen Dattelschnaps. Welche unserer AN2-Besatzung reine Freude bereitete, sie erzählten dann von ihrem Leben mit der AN2.

Höhepunkt war eigentlich der letzte Tag unserer Reise. Wir hatten kurzfristig umgeplant, zur besonderen Freude von Frau Lienzmayer. Wir schenkten uns den ganzen Tag Khartoum und zogen es vor, lieber die einen oder anderen Steine in der Wüste anzufliegen. Das war denn auch sehenswerter, und authentischer, als eine zugemüllte Hauptstadt zu sehen.

Die Pyramiden von Meroe sind sehr beeindruckend, ebenfalls Naqah. In Meroe landeten wir direkt vor den Pyramiden, stapften durch den Wüstensand, an den einzelnen Pyramiden vorbei. Naqah hat es auch in sich, ein schöner alter Tempel, nicht zu glauben, wie vollständig manchmal die Steine erhalten sind. Das war auch die Heimat von Sebastian, hier wusste er am meisten zu berichten, denn er war schon mal hier gewesen, zum Steine restaurieren.

Und Frau Lienzmayer schwärmte. Während wir alle wohl den schleppenden Anfang ohne Flieger verziehen hatten, blieb Frau Lienzmayer unerbittlich, Das habe ein Nachspiel, meinte sie, so eine Fehlorganisation, und sie wusste genau, welche Leistungen im Katalog nicht erbracht wurden. Ich sehe das anders. Wenn ich A nicht erlebe und dafür B, und B ist vom Gehalt her ähnlich oder sogar besser als A, was soll’s.

Mittags dann auf zum letzten Ziel, nach Khartoum. Sehr ansprechendes Hotel, von Libanesen geführt. Satellitenfernsehen. Und unter den über 100 Kanälen, welche ich durchzappte, fand ich immerhin Deutsche Welle und BBC. Die restlichen waren reiner Schrott, arabisches Gedöns vom Maghreb bis nach Saudi Arabien, wie kann man sich so was nur ansehen. Da macht der Fortschritt einen weiten Bogen um euch Araber. Kein Wunder, wenn man zu nichts besserem zu senden in der Lage oder willens ist. Gefrorene Zeit, zu sehen im arabischsprachigen Fernsehen.

Zum Schluss noch ein Ausflug nach Omdurman, der Zwillingsstadt von Khartoum. Auf den Markt, einfach nur gucken. (Frau Lienzmayer zog es vor, sich das Museum in Khartoum anzusehen, sie bekam auch ihre Extrawurst, die arme Nadja musste dabei sein.)

Da war er noch mal, der richtige Sudan, bunt, laut und dreckig. Müll überall. Aber keine Bettler, wir wurden nicht angemacht, und das ist schon ein Wert für sich, zumal wenn man Ägypten kennt. Souvenirs gab es sogar auch zu kaufen, in einer versteckten Seitengasse. Da kamen auch die Chinesen vorbei, es sollen über 35.000 Chinesen im Lande sein, um die Bodenschätze auszubeuten, vor allem Öl (das gibt die Regierung aber nicht zu, amtlich sind es allerhöchstens 5.000 – meine Zahl bekam ich von unserem Norweger). Überhaupt platzte der Basar fast vor billigen Produkten „made in China“, ich erinnere mich da noch an die Schlappengasse, billige Plastiksandalen, die sich turmhoch häuften, Laden an Laden. Aus chinesischer Produktion, wie so vieles. Die gehen wahrscheinlich schnell kaputt, verrotten aber erst nach 1.000 Jahren. So drecken sich die Sudanesen langsam zu, und nicht nur die. Wenn dann der Wohlstand langsam steigt, so wie in Syrien zu beobachten, so wird nur auf höherer Ebene weitergedreckt, dann sammeln sich eben noch mehr Plastiktüten am Straßenland. Syrien ist für mich das Mutterland der Plastiktüten, der Sudan wird sich sicherlich noch dahin entwickeln. Da kommt man schon ins grübeln, so hoch können wir unsere Maurern gar nicht ziehen, als dass nicht einen fernen Tages die Auswirkungen von deren Armut und Bildungsabwesenheit zu uns durchschlägt. Dann importieren wir mit unserer Humanität gleichzeitig deren Armut und Gewohnheiten, mit den bekannten Folgen.

Das Schlimme an Diktaturen ist, den Leuten die Hoffnung zu nehmen. Und da unterscheiden sich die Diktaturen gewaltig. China ist zwar nicht frei, aber Hoffnung ist überall zu spüren. Ob Syrien oder Iran, viele junge gebildete Menschen wollen nur noch weg. Im Sudan fehlt sogar die Bildung. Da sitzt der Frosch im Brunnen und meint, der Himmel über ihm sei die Welt.

Den Mangel an Bildung lässt sich vorbildlich am Flughafen in Khartoum ersehen. So viel Desorganisation habe ich selten erlebt. Kein Schalter weist aus, welcher Flug abgefertigt wird. Beim Einchecken wird auf einer Passagierliste gesucht, ob man drauf steht. Schafft man dann glücklich die Grenzkontrolle, findet man auf keinem der wenigen Gates, welcher Flug gerade aufgerufen wird. Da kann man nur auf „Hammelherde“ machen und dumpf warten, was mit einem geschieht. Irgendwann geht es dann doch weiter, natürlich mit Verspätung. Kommt man dann in Kairo an, meint man, man sei voll in der Zivilisation angekommen. Sudan, du schaffst es nie.

Was kann man aus solchen Reisen mit nachhause nehmen? Unseren Kindern beibringen: Bildung, Bildung, Bildung. Auch schafft eine solche Reise Zufriedenheit, denn auf welcher Insel der Glückseligkeit wir leben, kann man nur ermessen, wenn man die Alternativen gesehen hat.

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