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Wolfgang Fobo

Unterwegs in China

Aktualisiert: 13. Nov. 2019


Ich bin Hochgeschwindigkeitszug gefahren in China, von Nanjing zum Flughafen Shanghai in 1h 20 min, im Wahnsinnstempo bis zu 320 km/h. Und da muss ich den Chinesen schon meine Bewunderung zollen, das haben die wirklich vorzüglich hinbekommen, Superzug, Superservice.

Anders sieht die Sache aus, wenn man an für uns ganz stinknormale Informationen denkt. Vom Flughafen Hongqiao in Shanghai fährt eine U-Bahn direkt zum anderen Flughafen Pudong. Dafür muss man ein Ticket am Schalter kaufen. Aber dass man dieses Ticket nur an einem bestimmten Sperre entwerten kann, steht nirgends. Ich habe an der falschen Sperre herum probiert, die ging nicht auf. Der Mann von der Sicherheit hat mich wieder zurück in die Schlange geschickt, und endlich vorne angekommen sagte mir die Verkaufsdame, dass ich dort hin müsse, wo eben die roten Türen versperren. Also dort probiert, es ging. Sagt aber einem vorher niemand, steht auch nirgends geschrieben. Dann in der U-Bahn. Ewig lange Strecke. 2/3 auf dem Weg nach Pudong fährt die U-Bahn plötzlich wieder zurück. Ich bin verwirrt und frage wieder nach. Habe ich verpennt, dass wir schon angekommen waren? Ich frage den Nachbarn, der mit Koffer einstieg, und der meinte, er käme von Pudong, ich habe den Ausstieg wirklich verpasst. Noch verwirrter wechsle ich an der nächsten Station die Richtung und steige wieder in die U-Bahn ein, welche nach Pudong fährt. Und passe auf. Wieder passiert das gleiche. An der nächsten Station fährt die U-Bahn wieder in die entgegengesetzte Richtung. Entnervt frage ich meinen Nachbarn in der U-Bahn, was denn jetzt los sei. Sei doch klar, meinte er, nach 9 Uhr fährt die U-Bahn nicht mehr bis zum Flughafen. Sagt aber einem keiner. Ich bin in der Pampa ausgestiegen, habe Gott sei Dank ein Taxi gefunden, und meinen Weg zum Flughafen fortgesetzt. Wenn ich kein Chinesisch sprechen würde, wäre mein Stress ein noch ganz anderer gewesen.

Auch bei den Autofahrern ist die Situation nicht anders. In der Stadt fehlen oft die Richtungsschilder, und so sieht man ratlose Autofahrer direkt vor der Verzweigung halten und rätseln, ob sie jetzt rechts oder links müssen. Hochgefährlich, da kommen einem dann tatsächlich manche rückwärts entgegengefahren.

Vor Jahren dann mal dichter Nebel. Dann wird einfach schon mal die Autobahn zum Flughafen gesperrt (die Autobahnverwaltung will die Verantwortung für Unfälle auf der Autobahn nicht tragen), heißt man wird die Autobahn herunter geschickt, und dann geht es auf Landstraßen weiter. Dem Fahrer sei heute noch mein großer Dank ausgedrückt, welcher es trotzdem schaffte, mich rechtzeitig zum Flughafen zu bringen. Denn ausgeschildert war rein gar nichts.

Ist das Absicht oder Unvermögen? Ist das ein Ausdruck der Gleichgültigkeit der chinesischen Verwaltung gegenüber den Mitbürgern? Heißt das vielleicht „schaut wie ihr zurechtkommt“? Dieses Gefühl werde ich nicht los. „Oben“ kommt einfach nicht auf die Idee, „unten“ das Leben einfach zu machen. Es herrscht schlichtweg ein anderes Verständnis von miteinander. Wir da oben sagen euch, was gut für euch ist. Alle Prachtbauten oder Autobahnen oder Eisenbahnen sind nichts anderes als ein Ausdruck der Stärke und der Macht derer da oben. Die da unten müssen sich damit zurechtfinden.

Manchmal habe ich schon fast Angst vor meinen Schlussfolgerungen. Werde ich nach 15 Jahren Arbeiten in China langsam paranoid? Leide ich unter Verfolgungswahn? Keine Ahnung, aber eines muss ich schon gestehen, eine solche „dunkle Seite der Macht“ gibt mir schon zu denken. Wenn es sie denn gibt. Aber Jedis gibt es in China eben nicht, nur das Volk, welches sich das alles fraglos gefallen lassen muss.


November 2002

Drastisch wie noch nie wurde mir auf dieser Reise auch vor Augen geführt, wie gefährlich der Straßenverkehr ist. Während ca. 2.500km, die ich im Auto saß, bin ich an zahllosen Unfällen vorbeigefahren, einer davon mit 4 Schwerverletzten, die lagen unbeachtet neben dem zertrümmerten Kleinbus, keine Ambulanz. Anderntags erfuhr ich, daß es 4 Tote gab. Wehe dem, der in China einen Unfall erleidet. Das Rettungswesen ist mehr als kümmerlich. Hauptschuld in China ist zum einen der zunehmende Straßenverkehr, und dann vor allem die Fahrweise der Chinesen. Diese kennen zwar die Verkehrsregeln so gut wie wir, aber jeder versucht, so gut wie möglich seinen Vorteil herauszuholen, auf Kosten anderer Verkehrsteilnehmer. Und mit der richtigen Autonummer darf der Fahrer alles, ohne von der Polizei belangt zu werden. Denn wer zur Elite gehört, darf Regeln brechen.

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