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  • Wolfgang Fobo

Übersinnliches

Aktualisiert: 2. März

Übersinnliches

Wo der Glaube stark ist, kann man Grenzerfahrungen machen. Mich haben im Verlauf meiner Asien-Reisen insbesondere 2 Erfahrungen tief beeindruckt, und das waren zum einen die Wunderheiler auf den Philippinen und Wahrsager in Indien.

Wunderheiler auf den Philippinen

Anfang der 80er-Jahre auf den Philippinen hatte ich zum ersten Male von einer Wunderheilerin gehört. Josephine Sison hieß sie, und sie war wohl ein Begriff in jener Zeit. Nachdem mir schweizer Touristen von Josephine vorschwärmten, war mir klar, da muss ich hin, muss mir das anschauen. Es ging recht weit ins Hinterland, dort hatte Josephine ihre Praxis. Eine einfache Frau, wohl in den 50ern, und eine einfache Behandlungspraxis. Und diese war bei meiner Ankunft schon voll von Heilsuchenden, viele Ausländer darunter. Bevor die Behandlung losging, wurde ein kleiner Gottesdienst gefeiert, und dann kamen die Patienten nacheinander drin. Mussten sich auf eine Pritsche legen, den Kopf auf die Bibel.

Josephine arbeitet mit Watte. Diese massiert sie dem Patienten an einer Stelle in den Körper, führt dann ihre Hand entlang des Körpers und zupft dann die Watte wieder mit spitzen Fingern aus dem Körper. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen, aus ca. 1 m Abstand. Bei einer Patientin hat sie die Watte oben am Halswirbel einmassiert, ist den das Rückgrat hinunter und hat sie am Steißbein wieder rausgeholt. Größtes Spektakulum war, als ich Zeuge sein durfte, wie sie Watte auf ein Ohr gelegt hat, diese Watte leicht antupfte, diese dann im Ohr verschwand, als würde sie sich von selbst hineinziehen. Dann die Watte wieder aus dem anderen Ohr herauszog. Ich schwör’s, so war es.


In den Händen von Josephine Sison - Sommer 1980

Von der Behandlungsmethode dermaßen fasziniert, überlegte ich fieberhaft, ob ich nicht auch ein Zipperlein hätte, womit ich mich Josephine anvertrauen konnte. Und so viel mir ein, dass ich seit einer Mandeloperation immer Schleim im Hals hatte, also nichts, weswegen man zur Heilerin müsste. Ich stellte mich brav an, wurde nach meiner Krankheit gefragt. Josephine war wohl von meiner leichten Geschichte überrascht, aber ich durfte mich hinlegen, Kopf auf die Bibel. Bei der Prozedur wurde ich auch photographiert, es sah nach Blut aus, welches am Hals herunterlief. Keine 10 Sekunden später war die Sache überstanden, ich durfte mich aufrichten. Und, ehrlich, mein Hals war trocken, so furztrocken wie ein Hals nur sein kann. Schon unangenehm trocken. Ich solle die nächsten 10 Tage keinen Sex haben und auch nichts Saueres essen, meinte sie noch. Und schon kam der Nächste dran. Gekostet hat mich das eine Spende, in einen Umschlag gepackt.

Seit dieser Zeit habe ich kaum mehr Schleim im Hals. Das Trockengefühl verschwand nach ein paar Tagen, und seither fühle ich keine Beschwerden mehr. Aber die Sache hatte mich doch sehr beeindruckt, sodass ich im Jahr darauf wieder zu Josephine bin, diesmal mit einem anderen Zipperlein, Arthrose im Knie, welche sich damals immer im Winter artikulierte. Im Sommer spüre ich rein gar nichts, kam also vollkommen beschwerdefrei an. Wieder arbeitete sie mit Watte, wieder lief so was wie Blut mein Knie hinunter, wieder war ich wohl mit Abstand der Patient mit den leichtesten Beschwerden. Aber der Effekt war diesmal ein ganz anderer. Mein linkes Knie fing an zu schmerzen, erst leicht, dann immer mehr, dann fing ich an zu humpeln. Hatte sie mich etwa verhext? Egal, ich war auf dem Weg nach Baguio, dort sollte es auch eine Menge Wunderheiler geben, und so machte ich mich auf den Weg, das von Josephine angerichtete Malheur zu korrigieren. Diesmal ein Mann, der von vorneherein eine stolze Summe von mir wollte, umgerechnet 20 Mark, damals für mich ein Batzen Geld. Ich erinnere mich noch, wie ich mich mühsam die Treppe hochzog, und mich in seiner Küche auf den Tisch legte. Der Heiler schaute sich mein Knie an, sagte nur kurz „I will put energy into it“, fummelte etwas rum, ebenfalls mit Blut als Beigabe, und meinte dann nur „ok“. Dann bekam ich noch eine Zugabe. Er wollte mich darauf untersuchen, ob ich fruchtbar sei, drückte recht tief in meine Bauchgegend, so dass sich in einer Grube beim Bauchnabel ein kleiner Blutsee bildete. Und er bestätigte mir, ja, ich sei sehr fruchtbar, was mir damals als Student schnurzegal war. Und so wurde ich entlassen und konnte auf meinem vor kurzem noch kranken Bein die Treppe hinunterhüpfen. Ja, da war Energie drin, im Knie, im Bein, im ganzen Kerl.

Wieder ein Jahr später, diesmal in Manila, habe ich dann aus purer Neugierde einen weiteren Wunderheiler aufgesucht, gemeinsam mit einem Arzt. Proppevoll die Praxis, sehr viele Ausländer. Und ich konnte wiederum aus nächster Nähe mit ansehen, wie er einem Mann mit bloßen Fingern einen Zahn zog. Bei einer Frau stieß er seinen kleinen Finger in ihr Nasenloch, bis zum Anschlag, wühlte herum, zog den Finger raus, and dann purzelte es nur so aus ihrer Nase – Popel sieht anders aus. Wieder volles Spektakulum mit großem Unterhaltungswert. Der Arzt meinte noch, was da flösse, sei kein Menschenblut, das habe eine andere Farbe. Er tippte auf Hühnerblut.

Dass bei den Prozeduren meistens Blut fließt, ist laut Josephine Sison uns Ausländern geschuldet. Denn mit Blut würden wir Ausländer besser glauben, bei Philipinos bräuchte sie keine glaubensverstärkenden Mittelchen. Josephine meinte auch, wenn sie selbst krank sei, ginge sie zum Arzt.

Der indische Wahrsager - die Palmblattbibliothek

30 Jahre später. Ach was bin ich fertig mit der Welt. Komme mir vor wie ein Maikäfer auf dem Rücken liegend, mit den Beinen strampelnd. Fassungslos, erschlagen.

Ich war beim Wahrsager gewesen. Dass ich genau bei derjenigen Institution landete, wo ich schon immer mal hinwollte, nur nicht wusste, wie ich das anstelle, hätte ich mir nicht träumen lassen.

Der Termin wurde mir vermittelt, ein Freund eines Freundes eines Bekannten von mir hat mich hingeführt und einen Termin vereinbart. Wer kennt die Geschichte? In Indien gibt es einen Tempel (so hatte ich es in Erinnerung), dort gibt es für jeden, welcher diesen Tempel besucht, ein Skript auf Bambusblättern, zusammengerollt, vor ewigen Zeiten erstellt. Und da steht drauf, wer man ist, welche Probleme man hat, welche Vergangenheit, welche Zukunft. Gesundheitsprobleme, Beziehungskisten, alles. Abgeben muss man als Mann seinen rechten Daumenabdruck, als Frau den linken.

Genau da war ich gelandet, es war nur kein Tempel, sondern eine Art Zweigniederlassung der Hauptstelle, welche sich in Chennai befindet. Und so konnte er nur die Bambusrolle für mich organisieren, diejenige für meinen Vater (das war der eigentliche Auslöser meines Besuches) war nicht verfügbar und muss nun aus Chennai herangebracht werden. So werde ich nicht zum letzten Mal dort gewesen sein, sondern die Prozedur auch noch für meinen Vater wiederholen, welcher spirituelle Hilfe nötiger hat als ich.

Der Wahrsager hat mir auf den Kopf Tatsachen zugesagt, der er niemals von mir wissen konnte. Details aus meinem Leben. Sogar Details aus meinem Vorleben – damals muss ich ein rechter Schluri gewesen sein, weswegen sich in meinem diesigen Leben einige meiner Probleme erklären lassen. Mein Vorleben habe ich gleich auf der Stelle gereinigt, in Form einer Puja, das ist eine religiöse Zeremonie, wohl Reinigungszeremonie (..da muss ich mich jetzt erst noch einlesen..), meine Sünden des Vorlebens sind also erlassen. Und meine Zukunft sieht so schlecht nicht aus.

Damit das alles einen Gehalt hat, wurde die Sitzung aufgenommen und mir der Befund dann auf CD übergeben, abwechselnd in tamilischer Sprache mit folgender englischer Übersetzung. Und wer Tamil kann, kann meinen Befund auch nachlesen, denn ein Heft hat mir der Wahrsager auch noch mitgegeben, da steht alles drin. Auf Tamil eben.

Und kaum waren 6 Stunden ins Haus gegangen, schon war ich wieder draußen. Verwirrt, erschlagen, ergriffen.

Wer spirituelle Erfahrung sucht: in Indien gibt’s die löffelweise. Wie die Bürokratie.

Zum Ausgleich habe ich mir dann noch einen Besuch in einem der größten Slums Asiens gegönnt, in Dharavi (wo man den „Slum Dog Millionaire“ gedreht hat). Eindrücke, die man nicht in Worte fassen kann. Alle Sinne werden gefordert. So ein Besuch sollte man so manchem unzufriedenen Zeitgenossen bei uns zuhause verpassen, denn er ist sehr der eigenen Standortbestimmung förderlich.

Auf mich soll auch noch eine weitere Erfahrung warten. Ich weiß nicht, soll ich mich trauen? Mein indischer Freund will mich seinen Geistern vorstellen.



Meine Angst vor Geistern


Ja das ist noch eine Geschichte, die ich erzählen muss. Sie fängt damit an, wie ich überhaupt zu meinem Termin in der Palmblattbibliothek gekommen bin.

Ich war in Indien beim Abendessen mit einem Geschäftskollegen und erzählte dabei, dass ich etwas über die Palmblattbibliothek gelesen hatte, aber nicht wusste, wo die denn sei. Mein indischer Kollege ging sofort auf mich ein und meinte, wenn ich wirklich diese Bibliothek besuchen wolle, könne er mir einen Termin verschaffen. Und so war es denn auch. Meine Erlebnisse dort habe ich in einem anderen Blog geschildert. Nach diesem Besuch, noch völlig beeindruckt vom Geschehen, wollte ich mich bei diesem Kollegen bedanken und ihn zum Abendessen einladen. Er lehnte höflich ab, and diesem Tag ginge es leider nicht, denn da habe er einen Termin mit seinem Geist.  Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten und befragte ihn ausführlich. Man stelle sich vor, mein Kollege, ein ehemaliger Eliteoffizier der indischen Armee, im Einsatz in Kaschmir, um dort eingedrungene pakistanische Kämpfer abzufangen, glaubt an Geister! Wie dem auch sei, er erzählte folgendes:  Jeden Donnerstag hat er einen Termin bei einem islamischen Maulana, da geht er hin, setzt sich in einen Raum, ganz alleine, welcher vollständig abgedunkelt ist, und wartet. Nach einiger Zeit erscheint der Geist, er spürt ihn, sieht ihn aber nicht, und dann beginnt die Unterhaltung. Er fragt den Geist um Rat zu Problemen des täglichen Lebens, beispielsweise wie er am Besten seine beiden Töchter verheiraten kann. Und der Geist gibt ihm dann Ratschläge.  Und auf die Frage, woher der Geist denn komme, meinte der Kollege, er sei aus Bagdad.  Diese Geschichte - weitere Details habe ich inzwischen vergessen - ließ mich jedenfalls nicht mehr los, und einige Jahre später besuchte ich diesen nun ehemaligen Kollegen bei ihm zuhause, um mich nochmals bei ihm zu bedanken.  Und kam natürlich darauf zurück, ob er denn immer noch seinen Geist regelmäßig befragte. Er bejahte, und dann meinte er, wenn ich wolle, könne ich gerne bei solch einer Sitzung dabei sein.  Nein, ich traute mich nicht. Oder würdet ihr da mitmachen? Wenn dann wirklich ein Geist erschiene bzw. ihr eine solche Wahrnehmung hättet. Wie würde euer Leben danach aussehen?  Auch wenn ich üblicherweise sehr neugierig auf solche Erfahrungen bin, diese Erfahrung ginge mir zu weit. Ich habe Angst, dass sich mein Blick auf die Welt hinterher zu sehr verändert. Als wäre an mit einem Abgrund konfrontiert, in welchen man unbedingt nicht hineinschauen will.

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