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Wolfgang Fobo

Die vielen Helferlein


Wem ist das noch nicht passiert – man hat irgendetwas vor, weiß genau, was man will, und dann kommen die Helferlein und verderben einem das Vorhaben.

Beim Einchecken wird mir geholfen, einen „besonders guten Platz“ zu ergattern, dann finde ich mich im Flieger in der ersten Reihe wieder, direkt vor der Wand, und kann nicht meine Beine ausstrecken – und das eine ganze Nacht lang.

Ein Hotel wird für mich gebucht – da wollte ich eigentlich nie rein, lasse mir dann aber was „Gutes“ tun. Dann komme ich relativ früh an, kein Zimmer ist bezugsfertig, und ich darf mich 3 Stunden lang todmüde irgendwo in der Stadt herumdrücken, bis ich aufs Zimmer kann.

Im Hotel, und da vor allem in Indien, wollen unzählige dienstbare Geister mir das Leben erleichtern. Es ist ein Kampf, das Gepäck wird einem bei Ankunft sofort abgenommen, dann checkt man ein, geht ohne Gepäck aufs Zimmer, das wird vom Dienstpersonal nachgebracht. Und dann sitzt man im Zimmer, wartet eine halbe Stunde, bis man sein Gepäck wieder sieht, und darf dann für diesen Zeitklau auch noch Trinkgeld dafür bezahlen. Da werde ich neuerdings recht massiv, will man mir das Gepäck abnehmen. Die wollen natürlich an mein Geld. Aber ich will meine Ruhe.

Jeder Handgriff will einem in Indien abgenommen werden, so viele kleine Scheine habe ich gar nicht, um alle zu befriedigen. Da kann man manchmal nicht einmal mehr Aufzug fahren, ohne dass man an den Aufzugführer denken muss.

Es ist gelegentlich ganz schön anstrengend, eine bestimmte Position innezuhaben. Das ist Verpflichtung, die anderen wenigstens zum kleinen Teil an seinem relativen Reichtum teilhaben zu lassen. Dazu werden dann Hürden aufgebaut, welche dann gegen Trinkgeld wieder abgebaut werden. Ins Auto einsteigen- zuerst wird die Tür aufgehalten, und dann die Hand.

Da lobe ich mir Japan, und auch Korea. Muss man alles selber machen, hält keiner die Hand auf. Man hat einfach seine Ruhe.

Japan krankt dann aber eher daran, dass einem unerbetene Hilfe zuteil wird, seinen Tag zu verplanen. Dort privat unterwegs, wird mir minutengenau mein Tourismusprogramm geplant, welches ich absolvieren soll. Da verbeuge ich mich ob der großen Unterstützung, und werfe die Planung der Gastgeber heimlich in den Müll. Einfach so in den Tag hinein leben und kurzfristig zu entscheiden, ist zutiefst unjapanisch. Japan ist ein „Nanny State“, man wird den ganzen Tag lang vollgeplärrt von Lautsprechern, seine Sachen nicht liegen zu lassen, dass die Rolltreppe zu Ende geht, aufzupassen dass der Zug einfährt, usw. Keine Minute Ruhe, immer wird einem über den Lautsprecher „geholfen“, dass man sich richtig verhält. Man wird verrobotert.

Chinesen haben da eher kein Helfersyndrom. Denn die Denkweise geht dort so, dass, wenn ich Hilfe benötige, ich eine Art Schwäche ausstrahle, oder Missgeschick. Wird mir geholfen, dann wird dieser Zustand meiner „Hilflosigkeit“ offiziell, und dann verliere ich ja mein Gesicht. Aus Rücksicht auf meinen Gesichtsverlust wird also mein Hilfsbedürfnis erst gar nicht zur Kenntnis genommen. Im Extremfalle kann dies aber lebensbedrohlich werden, denn wie oft habe ich mir sagen lassen, dass es sehr lange dauert, bis man Unfallopfern hilft. Da fährt man schon mal an Verkehrsunfällen vorbei und lässt die Verletzten liegen – das bringe auch nur Probleme, habe ich nicht nur einmal gehört. Ein in China lebender Engländer hat einmal einem Unfallopfer auf der Straße erste Hilfe geleistet. „Wenn der hilft, muss der am Unfall schuld sein“, hat ein sich in der Nähe befindlicher Bauer gedacht, der diese Hilfeleistung mit angesehen hat. Kurze Zeit später kam die Polizei und verhaftete den Engländer. Eine Nacht durfte er in der Gefängniszelle verbringen, und das englische Konsulat hatte große Mühe, ihn da wieder rauszuhauen.

Vielleicht haben die Promis doch recht mit ihrer Mahnung, so doll sei das Leben in diesen Höhen auch wieder nicht. Denn die da oben haben überhaupt keine Freiheiten mehr, das zu tun und zu lassen, was sie wollen. Goldener Käfig. Immer unter Beobachtung. Und alle wollen „helfen“.

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